Mama sein ist schwer
Eine amerikanische Studie hat herausgefunden, dass es sogar so schwer ist, wie 2,5 Vollzeitjobs zu haben. Gut 100 Stunden die Woche beschäftigen sich Mütter mit ihren Kindern und dem Haushalt. Und da ist noch nicht mal der Job, mit dem das Geld verdient wird, mit eingerechnet. Mütter haben eine große Belastung auszuhalten. Dazu noch die Sorge, eine „gute Mutter“ zu sein und eine harmonische Beziehung zum eigenen Kind zu haben.
In der Betrachtung der Mutter-Kind-Beziehung geht es grundsätzlich um Sicherheit oder Angst. Fühlt sich das Kind in der Beziehung zur Mutter sicher? Oder hat es vor irgendetwas Angst? Angst verlassen zu werden, Angst gestraft zu werden, Angst nicht gesehen zu werden?
Angst, Stress und Unsicherheit führen zu Verhalten, mit dem das Kind auf sich aufmerksam macht. Und im Verhalten des Kindes werden die Anzeichen für eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung für die Außenwelt sichtbar.
Doch welche Anzeichen für eine gestörte Beziehung sollten dich aufhorchen lassen?
Was gibt es für Bindungstypen?
Um diese Frage beantworten zu können, schauen wir uns zunächst die verschiedenen Typen der Mutter-Kind-Bindung an.
Die US-amerikanisch-kanadische Entwicklungspsychologin Mary Ainsworth hat 1978 in einer Studie drei verschiedene Bindungstypen der Mutter-Kind-Beziehung kategorisiert, die später noch durch eine vierte Kategorie erweitert wurde:
Sichere Bindung
Unsicher-vermeidende Bindung
Unsicher-ambivalente Bindung
Desorganisierte Bindung
Bei der sicheren Bindung haben die Kinder in ihrem Leben bestärkende Beziehungserfahrungen mit ihren Bezugspersonen gemacht. Ihre Bedürfnisse wurden gehört und angenommen. Auf ihre Signale und Hilferufe wurde rechtzeitig reagiert. Sie haben von ihrer Mutter oder ihren Bezugspersonen das Gefühl bekommen, dass es okay ist, so zu sein, wie sie sind.
Bei den anderen drei Bindungstypen war das nicht der Fall. Sie sind Ausdruck einer gestörten Mutter-Kind-Beziehung. Doch was sind die Anzeichen dafür?
Woran erkenne ich eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung?
Die Anzeichen für eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung lassen sich in den verschiedenen Bindungstypen finden.
Anzeichen für eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung bei einer unsicher-vermeidenden Bindung
Das Kind versucht seine Gefühle zu unterdrücken, weil es durch die Rückmeldung der Eltern die Erfahrung gemacht hat, dass es sie nicht zeigen darf. Z.B. „Heul doch nicht!“, „Sei endlich ruhig!“. Das Kind ist zurückhaltend, gefühlskalt, angepasst und regelt die Dinge lieber im Alleingang, statt um Hilfe zu bitten. Diese Kinder sind oft soziale Einzelgänger und öffnen sich gegenüber anderen auch im Erwachsenenleben nur schwer.
Anzeichen für eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung bei einer unsicher-ambivalenten Bindung
Das Kind zeigt ein besonders anhängliches, klammerndes Verhalten. Trennungen werden kaum ertragen. In der Mutter-Kind-Beziehung hat es gelernt, dass es sich auf den Schutz und die Unterstützung der Mutter nicht verlassen kann. Es fühlt sich permanent unruhig und verunsichert und gleicht das durch ein exzessives sicherheitssuchendes Verhalten aus. Wenn die Mutter jedoch da ist, stößt es sie wieder weg, da es sich auf sie nicht verlassen kann. Das Kind ist hin- und hergerissen zwischen Nähe suchen und Angst vor Nähe haben.
Anzeichen für eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung bei einer desorganisierten Bindung
Die Mutter-Kind-Beziehung dieses Kindes ist von Angst geprägt, die meist auf ein frühkindliches Trauma zurückzuführen ist. Im Verhalten zeigt sich das Kind aggressiv, kontrollierend, bizarr. Plötzliche heftige Gefühlsausbrüche oder selbstverletzendes Verhalten können auftreten. Diese Kinder haben keine bestärkenden Beziehungserfahrungen gemacht und wissen nicht, wie Beziehungen funktionieren. Ihre Not zeigt sich in einem desorganisierten Verhalten.
Weitere Anzeichen für Bindungsstörungen
Der deutsche Kinder- und Jugendlichenpsychiater Karl Heinz Brisch beschreibt 2009 eine eigene Klassifikation für Bindungsstörungen.
Als Anzeichen für eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung lassen sich herausstellen:
Gar kein Protest oder exzessiver Protest bei Trennungen
Keine Suche nach Unterstützung
Das Kind lässt sich durch Trösten nicht beruhigen
Exzessives Klammern
Überängstlichkeit, Misstrauen, permanente Anspannung
Das Kind ist gehemmt, zeigt keine Gefühle
Übermäßige Anpassung, Bedürfnisunterdrückung
Aggressivität, sozial auffälliges Verhalten
Rollenumkehr, „Bemutterung“ durch das Kind
Was tun, wenn die Mutter-Kind-Beziehung gestört ist?
Sogenannte „Fehleinstimmungen“ kommen auch in sicheren Beziehungen immer wieder vor. Konflikte, Verbindungsbrüche und Missverständnisse gehören für uns alle zum Alltag. Zeitweise kann dein Kind auch manche der genannten Anzeichen zeigen. Je früher, häufiger und nachhaltiger diese Fehleinstimmungen durch authentische und feinfühlige Beziehungsangebote durch die Bezugsperson „repariert“ werden, desto besser lassen sich tiefergehende Störungen vermeiden.
Sollten sich die Anzeichen für eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung verstärken oder überdauern, ist professionelle Hilfe gefragt. Bindungsstörungen im Kindes- und Jugendalter können auch im Erwachsenenleben zu psychischen Störungen führen, darunter Suchterkrankungen, Depressionen oder Persönlichkeitsstörungen.
So kannst du deine Mutter-Kind-Beziehung pflegen
Damit es gar nicht so weit kommt, ist es gut, deine Mutter-Kind-Beziehung regelmäßig zu pflegen.
Das kannst du tun, um eine gute Mutter-Kind-Bindung zu haben:
Feinfühlig sein, aufmerksam für die Signale des Kindes
Begleiten statt Erziehen, Betonung von Beziehung statt Erziehung
Individuell auf das Kind eingehen, statt starr an Regeln festzuhalten
Kind teilhaben lassen an Entscheidungen, gemeinsam Lösungen suchen
Bedürfnisorientiert mit deinem Kind umgehen: „Was brauchst du?“ statt „Hör auf!“
Auch in Trennungssituationen Sicherheit ausstrahlen
Struktur und Halt bieten
Auch bei Gefühlsausbrüchen dabei bleiben und unterstützen, statt strafen
Gewaltfrei kommunizieren
Dein Kind sehen und hören, zeigen, dass es okay so ist, wie es ist
Gefühle und Bedürfnisse annehmen und akzeptieren, statt sie „weg haben“ zu wollen
Auch eigene Gefühle und Bedürfnisse thematisieren (Vorbildfunktion)
Selbst authentisch sein, sich nicht verstellen
Selbst klar und deutlich sein, statt hin- und hergerissen
Selbstfürsorge, Stressregulation trainieren
Für die Qualität der Mutter-Kind-Beziehung spielt auch immer die eigene Bindungserfahrung der Mutter eine große Rolle. Die Muster und Erfahrungen, die wir selbst als Kinder gemacht haben, nehmen wir in unser Erwachsenenleben mit. Als Eltern greifen wir automatisch auf das zurück, was wir bereits gelernt haben. Es ist also wichtig, auch selbst die eigene Beziehungserfahrung zu reflektieren und wenn nötig, in einer Psychotherapie oder im Einzelcoaching zu bearbeiten. Wenn beide dafür offen sind, lässt sich die Mutter-Kind-Beziehung auch im Erwachsenenalter noch verbessern, z.B. in einem Paarcoaching für Eltern-Kind-Beziehungen. Auch hier kann professionelle Hilfe unterstützend wirken. Erst wenn wir gelernt haben, uns gut um uns selbst zu kümmern, können wir auch gut für unser Kind da sein. Es ist wie im Flugzeug: Im Notfall muss erst das Elternteil die Sauerstoffmaske aufsetzen, bevor wir unserem Kind helfen können.
Johanna Schön ist Heilpraktikerin auf dem Gebiet der Psychotherapie und Familiencoach.
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Literatur:
Borg-Laufs • Breithaupt-Peters • Jankowski: Therapie-Tools Bindung und Bindungsstörungen. Beltz, 2021. Vgl. S. 13f, S. 17-23.