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Hochsensible Kinder und Zwänge


Hochsensible Kinder Zwänge

Inhalt

 

„Hilfe, mein Kind ist ein perfektionistischer Kontrollfreak“


Geschrei und Verzweiflung, wenn das Butterbrot nicht genau so geschnitten wird, wie gewünscht. Tiefe Traurigkeit, wenn das Kind nicht genau das erreicht, was es sich vorgenommen hat. Extreme Verwirrung, wenn sich Routinen und Abläufe ändern. Große Panik, wenn das aufgebaute Legokunstwerk verschoben, verrückt oder sogar abgebaut wird. Komplette Versagensängste, wenn im Malbuch über die Linien gemalt wird. Kommt dir das bekannt vor? Besonders hochsensible Kinder können manchmal so wirken, als wäre ihr Leben voller Zwänge. Was hochsensible Kinder tatsächlich mit Zwängen zu tun haben und was genau dahinter steckt, kannst du hier erfahren.


Was sind hochsensible Kinder?


Der Begriff „Hochsensibilität“ („high sensitivity“) wurde in den 1990er Jahren von der US-amerikanischen Psychologin Elaine Aron geprägt. Sie erforschte und beschrieb Menschen, deren Nervensystem besonders viele sensorische Reize aufnehmen kann und diese auch besonders tiefgreifend verarbeitet. Ungefähr jedes 5. Kind ist hochsensibel. Hochsensible Kinder nehmen die Welt um sie herum besonders intensiv wahr. Manche Kinder reagieren besonders stark auf taktile Reize, wie z.B. durch Kleidung, die sie zwickt oder kratzt, andere sind sehr geräuschempfindlich und geruchsempfindlich. Kommen mehrere solche intensiven sensorischen Bereiche zusammen, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Kind hochsensibel ist. Wenn du wissen willst, ob auch dein Kind hochsensibel ist, dann mach gern diesen ganz individuellen Test für hochsensible Kinder.


Hochsensibles Kind

Was sind „Zwänge“?


Wir alle kennen kleine innere Zwänge

Zunächst einmal kennt wohl jeder gelegentlich „innere Zwänge“, einen starken Drang oder Impuls etwas zu tun. Irgendetwas, das ich einfach nicht lassen kann. Doch noch ein zweites Stück Kuchen essen. Das Bett machen nach dem Aufstehen. Die neue Nachricht auf dem Smartphone checken. Wenn wir nicht permanent von unseren kleinen inneren Zwängen dominiert werden, dann ist das erst mal harmlos und gehört einfach zum Menschsein dazu.


Zwänge und Zwangsstörungen

Pathologisch, also krankhaft, können Zwänge werden, wenn sie uns wiederholt gegen unseren bewussten Willen förmlich „beherrschen“. Widerstand gegen diese Impulse, Gedanken und Handlungen ist kaum noch möglich und der Leidensdruck für die betroffenen Menschen groß. Im ICD Code („International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems”) sind psychische Störungen klassifiziert, darunter fällt auch die Zwangsstörung. Meist beginnt eine solche Störung erst im frühen Erwachsenenalter. Vorübergehende Zwangssymptome oder „Zwänge“ bei Kindern können beobachtet werden und sind nicht sofort als Zwangsstörung zu diagnostizieren.


Was gibt es für Zwangsstörungen?

Es wird im Rahmen der Zwangsstörungen unterschieden in Zwangshandlungen und Zwangsgedanken. Zwangshandlungen sind z.B. Waschzwänge, Reinigungszwänge, Kontrollzwänge und Ordnungszwänge. Unter Zwangsgedanken fallen z.B. Zählzwänge, sich wiederholende Gedankeninhalte oder die zwanghafte Vorstellung bestimmter Bilder. Neben den Zwangsstörungen gibt es auch noch die Zwanghafte Persönlichkeitsstörung, welche sich von Kindheit an entwickelt und eng mit der Persönlichkeitsstruktur des Menschen verbunden ist. Betroffene sind oft extrem perfektionistisch und starr in ihrem Denken und Handeln, haben ein hohes Leistungsmotiv und eine mangelnde Genussfähigkeit. Eine Persönlichkeitsstörung ist eine sehr tiefgreifende „Störung“ und wird nur nach sehr ausführlicher Diagnostik von Spezialisten festgestellt. Kinder können eine solche Diagnose noch nicht erhalten.


Hochsensible Kinder sind nicht gestört

Hochsensible Kinder leiden in der Regel nicht unter einer Zwangsstörung. Dennoch können sie manchmal den Anschein machen, gewisse „Zwänge“ in ihrem Verhalten zu zeigen. Was bedeutet es also, wenn hochsensible Kinder „Zwänge“ haben?


Hochsensible Kinder Zwänge

Hochsensible Kinder brauchen Ordnung und Struktur


Zwänge sind ein Zeichen für die Suche nach Ordnung

Viele unbekannte Reize sind sehr herausfordernd für hochsensible Kinder. Neue Umgebungen, Chaos, Menschenmengen - viele unbekannte Eindrücke führen oft bei hochsensiblen Kindern zur Überreizung. Vermeintliche „Zwänge“ sind ein Zeichen dafür, dass die Kinder Ordnung und Struktur in das Chaos der vielen Reize bringen wollen. Routinen und Regelmäßigkeit können hochsensiblen Kindern helfen und sie darin unterstützen.


Den Kontext zu kennen sorgt bei hochsensiblen Kindern für Sicherheit

Ein verlässlicher Tagesablauf, aber auch der Kontext für bestimmte Aktivitäten hilft hochsensiblen Kindern darin, die tägliche Flut an Sinneseindrücken gut für sich zu verarbeiten und zu integrieren. Kontext bedeutet, die Kinder wollen wissen, warum etwas geschieht und zu welchem Zweck. Hochsensible Kinder sind oft auch kognitiv, also in ihrem Denken, schon ihrem Alter voraus und wollen ihr Wissen vernetzen. Hochsensible Menschen denken generell oft sehr ganzheitlich und vernetzt. Auch körperlich, auf der Ebene des autonomen Nervensystems, ist der Kontext für bestimmte Reize sehr wichtig, damit sie nicht als Gefahr wahrgenommen werden und das Kind in eine Stressmodus verfällt.


Ordnung und Struktur sind also wichtige Faktoren für hochsensible Kinder. Wenn ihre Bezugspersonen nicht ausreichend dafür sorgen oder die äußeren Umstände es schwierig machen, dann versuchen hochsensible Kinder es durch „Zwänge“ auszugleichen, z.B. Ordnungszwänge.


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Hochsensible Kinder wollen die Kontrolle behalten


Zwänge sind ein Zeichen für die Angst vor Kontrollverlust

Zwänge haben auch immer etwas mit Kontrolle zu tun, bzw. genauer: mit der Angst vor Kontrollverlust. Denn mit dem Kontrollverlust, kommt auch die Überreizung, der Stress und das Gefühl von Hilflosigkeit, das für die meisten hochsensiblen Kinder äußerst unangenehm ist. Da ständig viele Sinnesreize auf hochsensible Kinder einströmen, versuchen sie schlichtweg nicht überwältigt zu werden. Für Außenstehende kann ihr Verhalten dadurch manchmal zwanghaft wirken. Doch diese „Zwänge“ sind oft ein Anzeichen dafür, dass sie unbedingt etwas auf eine bestimmte Art und Weise machen wollen, damit sie das Gefühl erleben können, die Dinge unter Kontrolle zu haben, anstatt von ihnen überwältigt zu werden.


Hochsensible Kinder wollen gern bestimmen, was passiert

Manche hochsensiblen Kinder übernehmen unter vertrauten Menschen (oft gegenüber ihren Eltern) gern die Führung und wollen bestimmen, wie etwas gemacht wird. Wenn sich das für sie nicht so erfüllt, wie gewünscht, brechen sie schnell in Verzweiflung aus. Denn auch ihre Gefühle erleben hochsensible Kinder besonders intensiv. Und die Verzweiflung rührt daher, dass sie es nicht geschafft haben, etwas unter Kontrolle zu bekommen und sie sich ihrer Umwelt gegenüber „ausgeliefert“ gefühlt haben. Natürlich ist es hier wichtig, sie feinfühlig durch ihre Ängste und Gefühle zu begleiten, statt solchen Gefühlsausbrüchen um jeden Preis aus dem Weg gehen zu wollen. Denn wenn hochsensible Kinder lernen können, dass nicht jede neue oder andersartige Situation gleich eine große Gefahr darstellt und sie durch die Begleitung ihrer Eltern merken, dass sie wirklich in Sicherheit sind, dann reduziert sich auch das Kontrollverhalten und die „Zwänge“.


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Hochsensible Kinder haben Schwierigkeiten mit Veränderungen


Neues bedeutet oft große Unsicherheit

Veränderungen bedeuten immer etwas Neues, statt etwas Bekanntes und Vertrautes. Etwas Neues bedeutet für hochsensible Kinder oft etwas Unsicheres. Meistens beobachten sie erst mal sehr lange, bevor sie sich trauen, mitzumachen. Sie machen sich erst mal mit allen Reizen und Eindrücken vertraut, die in dieser neuen Situation auf sie einströmen. Das ist auch völlig okay so. Wenn wir als Eltern dann Druck machen, führt das oft nur zu Gegendruck - Stress, Ärger - oder völligem Rückzug.


Zwänge als Festhalten an etwas Vertrautem und Sicherem

Aufgrund dieser Zögerlichkeit gegenüber Neuem, halten manche hochsensible Kinder gerne fast zwanghaft an etwas Vertrautem fest. Für sie muss es so sein und nicht anders. Denn so kennen sie es, so fühlt es sich für sie sicher an. Sie wissen genau, was sie erwartet und brauchen keine unangenehmen Überraschungen zu fürchten. Denn unangenehme Erfahrungen gehen bei hochsensiblen Kindern ganz besonders tief. Deshalb wirken sie manchmal so, als hätten sie „Zwänge“, wenn sie mit Veränderungen konfrontiert sind. Eigentlich geht es ihnen aber, wie so oft, um das Gefühl der Sicherheit.


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Hochsensible Kinder haben einen Hang zum Perfektionismus


Hochsensible Kinder wollen, dass sich alles „richtig“ anfühlt

Hochsensible Kinder sehen alle Details und sind oft sehr ehrgeizig und zielstrebig. Es fühlt sich für sie manchmal erst „richtig“ an, wenn alles für sie zusammenpasst. Unordnung, Chaos, Imperfektion, Unvollständigkeit führt zu Unruhe und Frust. Die vielen Reize, die hochsensible Kinder tagtäglich aufnehmen, können schnell zu einem sehr intensiven Gefühl der Überforderung und Hilflosigkeit führen. Sie wollen diese Reize dringend ordnen und in einen sinnvollen Zusammenhang bringen, damit sich das Gefühl der Sicherheit einstellen kann. Etwas muss für sie Sinn ergeben. Wenn irgendwo noch etwas nicht ganz „passt“, wenn ein Reiz heraussticht, dann tut ihnen das tatsächlich weh.


Perfektionistische Zwänge als Versuch alles „richtig“ zu machen

Natürlich lässt sich das im Leben so nicht oft durchziehen. Das Leben ist einfach chaotisch und voller Sinneseindrücke und auch voller unbekannter Faktoren. Hier ist es wichtig, dass hochsensible Kinder auch mithilfe ihrer Bezugspersonen für sich Wege und Strategien entwickeln, sich sicher zu fühlen, ohne immer wieder in perfektionistische „Zwänge“ zu verfallen. Denn auf Dauer macht es sehr unglücklich, wenn bestimmte Ideale immer wieder nicht erfüllt werden können.


Hochsensibles Kind Mutter

Hochsensible Kinder, Zwänge und Sicherheit


Zwänge als Versuch, Sicherheit zu erleben

Zwänge bei hochsensiblen Kindern sind ein Anzeichen dafür, dass das Kind versucht für sich selbst für das Gefühl von Sicherheit zu sorgen. Hochsensible Kinder wittern naturgemäß viel häufiger Gefahr als die meisten anderen Kinder. Ihr Nervensystem nimmt einfach viel mehr Anzeichen dafür auf. Wir hochsensiblen Menschen hatten evolutionsbiologisch die Aufgabe, den Rest der Sippe zu warnen, wenn Gefahr im Aufzug war. Denn wir haben es schlichtweg zuerst wahrgenommen. Heutzutage kann diese Fähigkeit aber auch schnell überwältigend und verunsichernd sein. Deshalb brauchen besonders hochsensible Kinder feinfühlige Bezugspersonen, die auch auf körperlicher Ebene die Kinder unterstützen, sich tatsächlich entspannt und in Sicherheit zu fühlen. „Zwänge“ sind immer sicherheitssuchendes Verhalten. Unterstützten wir unsere Kinder bestmöglich darin, das Gefühl der Sicherheit zu erleben, dann werden auch die Zwänge langsam abgebaut.

 

Johanna Schön ist Heilpraktikerin auf dem Gebiet der Psychotherapie, Elterncoach und Expertin für hochsensible Kinder.

 

In dieser kostenlosen Checkliste erfährst du, wie du für mehr Sicherheit für dein Kind sorgen kannst.

Im Elterncoaching 6-Schritte-Programm stärkst du nachhaltig eure Beziehung und hilfst deinem Kind, Kontrollverhalten und innere Zwänge abzubauen. Hier erfährst du mehr:

Du kannst auch den Online Elternkurs: "Hochsensible Kinder fördern" machen. Darin lernst du selbstständig, wie du dein hochsensibles Kind besser verstehst und optimal unterstützen kannst.



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